Das Selbst geht aus einer dynamischen Vernetzung fundamental
verschiedener psychischer Prozesse hervor. Auf der einen Seite stehen
eigenständige, a priori unbewusste Prozesse, unsere Motive. Ein
Motiv verkörpert die Bereitschaft, auf eine bestimmte Gesamtwahrnehmung mit einer
spezifischen Emotion zu reagieren, Näheres erläutert Kapitel 2. In dem Wort „Emotion“ steckt
der lateinische Ursprung „movere“, bewegen. Wir werden dann und nur dann aktiv,
wenn Emotionen uns animieren, wenn sie Bedeutung und Präferenz signalisieren.
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Auf der anderen Seite steht das Denken, das mit
sprachlichen und anderen kulturell tradierten Repräsentationen arbeitet. In
seiner ureigensten Funktion verhilft das Denken dem emotionalen Antrieb zum
Erfolg, es sorgt für Effektivität und Effizienz. Zu diesem Zweck entwirft und
aktualisiert das Denken laufend Drehbücher für unser Handeln. Darüber hinaus
kann unser Denken lernen, eigene Emotionen zu erkennen, Antriebe gedanklich als
Ziele abzubilden, Zusammenhänge zu analysieren und zu differenzieren, Handlungsoptionen
zu konstruieren oder sich im Nachhinein plausible Erklärungen für unser Tun
zurechtzulegen. Diese Leistung erbringt unser Denken in dem Maße, wie wir
gelernt haben, es zu gebrauchen, und im konkreten Moment zu seinem Gebrauch fähig
und willens sind. Motivprozesse sind überlebenswichtig, das Denken meistens
nicht.
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